Kapitel 4

Kampf mit den Wölfen

Der Kampf gegen Papst Benedikt den XVI. hat praktisch nach Ausgang der Konklave 2005 begonnen. Das wird in einem Buch dargestellt, das von Paolo Rodari und Andrea Tornielli 2010 veröffentlicht wurde mit dem Titel „Angriff auf Ratzinger“. Das Buch beginnt mit den Aussagen eines wichtigen Purpurträgers, der seit Jahren im Vatikan arbeitet und der seine Aussagen um Weihnachten 2009 getätigt hat. Und er sagte Folgendes: „Ich weiß noch genau, wie ein italienischer Kardinal nach der Wahl von Benedikt gesagt hat, dass seine Amtszeit nur zwei, drei Jahre dauern werde. Auf jeden Fall sagt die Amtsdauer noch lange nichts darüber aus, was man darin bewirken kann. Und ich habe mir zwei Sachen gedacht: Erstens hat seine Amtszeit nicht so kurz gedauert, wie von manchen vorhergesagt, und zweitens hat sie sehr viele Zeichen gesetzt und auch Grundlagen geschaffen. Deshalb mussten die Angriffe auf Benedikt verstärkt werden.“

Die obskure Opposition eines gewissen Kurien-Etablissement und Kardinals-Etablissement hat von Anfang an begonnen. Und man hat auch in der Zeitung „Limes“ 2005 bereits ein Tagebuch veröffentlicht über die erfolgte Papstwahl. Ein solches Tagebuch hat das Papsttum delegitimiert. Und der Vatikanist Sandro Magister hat dann diese Wahl kommentiert, indem er gesagt hatte, dass die Wahl auf keinen Fall plebiszitär erfolgt sei, dass die Zeit reif sei für einen anderen Papst, vielleicht für einen lateinamerikanischen, und dass Benedikt Grenzen gesetzt worden seien, denen er sich fügen müsse.

Jene Worte klingen im Nachhinein wie ein Lobgedicht auf Bergoglio. Es stellt sich die Frage, ob es eine Gruppe von Kardinälen gibt, die derart untreu sind, dass sie derartige Tagebücher veröffentlichen lassen und dass sie wahrscheinlich auch untreu sind gegenüber Gott.

Das Argument der Kirchenspaltung ist immer wieder kursiert, und Ratzinger wollte auf jeden Fall eine solche Spaltung um jeden Preis verhindern. Er hat aber auch eine extreme Opposition erhalten. Man muss daran denken, wie man ihn aus der Universität La Sapienza ausgeladen hat, wie man ihn im Pädophilie-Skandal begegnet ist oder wie auch bei seiner Mohammed-Rede in Regensburg. Andere interne Oppositionszweige haben ihn innerhalb der Kirche angegriffen und boykotiert und seine Autorität in Frage gestellt, natürlich mit der Macht der Medien. Aber natürlich war der Pädophilie-Skandal einer der gravierendsten Skandale. Und man muss sich nur vergegenwärtigen, dass die mediale Diskussion um jenen Skandal aufgehört hat, als Papst Benedikt sich dann zurückgezogen hat. Man kann diesen Krieg gegen Ratzinger in mehreren Büchern nachlesen, wie in jenen bereits zitierten von Rodari und Tornielli, aber auch im Buch von Nikolas Diat, L’homme qui ne voulait pas être pape.

Einen gravierenden Fehler hat Benedikt auf jeden Fall gemacht. Um gewisse mächtige Kirchenkreise zu verhindern, hat er den Kardinal Bertone zum Staatssekretär erklärt. Mehrere Personen haben Benedikt darauf hingewiesen, er müsse Bertone von seinem Amt entheben. Aber der Papst hat wahrscheinlich in seiner menschlichen Güte nicht darauf gehört. Nicht zufällig hat Benedikt bereits 2010 mit dem Schriftsteller Peter Seewald im Buch „Licht der Welt“ gesagt, dass theoretisch gesehen ein Papst unter gewissen Umständen zurücktreten könne.

Als ich 2011 am 25. September in einer Zeitung Libero veröffentlicht habe, dass der Papst mit 85 Jahren zurücktreten werde. Da wurde ich heftiger Kritik und Gegenreaktionen ausgesetzt. Und ich habe das zwei Tage später in derselben Zeitung auch begründet mit den Worten: „Seine Müdigkeit hat keine physischen Gründe. Nein, seine Müdigkeit kommt aus den ständigen Kämpfen mit internen Oppositionsbewegungen und mit Kirchenkreisen, die ihn boykottieren und bekämpfen.“

Und es gibt noch einen weiteren Fall, nämlich ein Schriftstück, das der Kardinal Dario Castrillon Hoyos am 30. Dezember 2011 dem Papst überreicht hatte und wo der Bischof von Palermo Paolo Romeo angeblich bereits im November 2011 gesagt haben soll, dass der Papst nur noch 12 Monate zu leben hätte und dass er den Papst auch heftigst kritisiert hätte. Jenes Schriftstück ist im Februar 2012 in den Massenmedien erschienen, wurde aber kurz darauf bereits vergessen.

Sicher war jenes Dokument damals merkwürdig, aber wenn man bedenkt, dass Papst Benedikt sich 12 Monate später zurückgezogen hat, dann kann man schon etwas hineininterpretieren. Und so scheint es auch merkwürdig, wenn Kardinal Sodano nach dem Rücktritt gesagt hat, dass der Rücktritt wie ein Blitz am heiteren Himmel sei. Man hat nach dem Rücktritt auch surreale Dinge gelesen wie die Erklärung des Kardinals Cottier in der Zeitung „Avvenire“, wo dieser gesagt hat: „Benedikt hat seine eigenen Kräfte gemessen und er hat entschieden, dass man seine eigene Vorsehung und Vorkehrung nicht mit Kräften ändern kann.“ Würde das aber nicht bedeuten, dass Johannes Paul II., dessen Kräfte ja auch irgendwo zu Ende waren, am falschen Platz mit der falschen Vorkehrung geblieben ist.

Es gibt auch Zeugenaussagen einer Klosterfrau von einer Internetseite, wo diese bestätigt, dass sie immer wieder von modernistischen und progressistischen Kreisen der Kirche aufgesucht wurde, die gezielt Propaganda gegen Benedikt betrieben haben. Und ein Vertrauter hat ihr bestätigt, dass es bereits Kirchenkreise gegeben hat, die Unterschriften gesammelt haben, damit Ratzinger zurücktrete. Und man habe Benedikt bereits gesagt, dass, wenn er nicht zurücktreten würde, eine Kirchenspaltung eintreten wird. Und jener Priester, der hier mit der Klosterfrau gesprochen hat, hat auch versichert, dass es bereits Gespräche mit Massenmedien gebe, die zugesagt hätten, sie würden eine neue Kirche als Spaltung von der alten Kirche entsprechend loben.

Wenige Tage nach dieser Veröffentlichung dieser Aussagen ist Benedikt zurückgetreten. Ist das Zufall? Ich denke, man muss keine Verschwörungstheorien vertreten; denn dass es derartige Tendenzen in der Kirche gibt und gab, ist alles andere als eine Verschwörung, sondern war offensichtlich. Hans Küng hat in seinem 2011 erschienen Buch „Retten wir die Kirche“ die verschiedenen Kirchenspaltungen aufgezeigt und er hat auch darin aufgezeigt, dass es eine Kirchespaltung gebe in unserem Jahrhundert zwischen dem römischen Katholizismus und der modernen illuminierten Welt. Küng vergisst zu sagen, dass diese moderne illuminierte Welt mit der Kirche eigentlich schon gebrochen hat und dass sie deswegen in der Hölle der Ideologien des Horrors und des Terrors gelandet ist. Es ist aber interessant, dass man der Kirche empfiehlt, jene Welt nachzuahmen, die mit ihrem Modernismus gescheitert ist.

Nach dem Tod des Kardinals Martini habe ich auf der Zeitung Libero am 12. Dezember 2012 folgende Gedanken formuliert, in welchen ich mich auf ein Interview von Martini beziehe: „Martini steigt auf seinen Altar und schreibt allen vor, beginnend beim Papst, was sie tun sollen. Wenn er nämlich schreibt, dass die Kirche die eigenen Fehler erkennen müsse und dass alle einen radikalen Weg der Umkehr gehen müssten, angefangen von dem Papst und von den Bischöfen. Martini verkennt so jenen Weg der Bereinigung, den Papst Benedikt auch schon als Kardinal gegangen ist.

Martini ist nicht nur Kardinal, sondern auch Jesuit, und Jesuiten hätten eigentlich den Auftrag, dass sie treu zum Vatikan sind. Aber das hat man bei Martini so nicht erkannt. Der heilige Ignatius von Loyola, der Gründer der Jesuiten, hat in seinen Erklärungen über das Wesen der Jesuiten geschrieben, dass diese die Kirche verteidigen müssen und dass sie für die Sache der Kirche kämpfen müssen. Und er hat weiter gesagt, man müsse die Taten der Oberen in der Kirche lobpreisen und verteidigen. Das alles wird man bei Martini aber nicht bemerkt haben. Im Gegenteil. Und wenn Martini behauptet, die Kirche sei 200 Jahre hinten, dann vergisst er, dass die Kirche 2000 Jahre zurückschaut, indem sie sich nicht Moden unterwirft, sondern einzig und allein der Wahrheit.

Ein großer Konvertit, Gilbert Chesterton, hat behauptet: „Wir brauchen keine Kirche, die sich mit der Welt bewegt. Wir brauchen eine Kirche, die die Welt bewegt.“ Effektiv sind jene Kreise, die mit der Welt mitgegangen sind, in der Bedeutungslosigkeit gelandet. Man muss festhalten, dass die Theologie, wenn sie in den Zeitungen Stellungnahmen von sich gibt, dass sie dort Geschwätz vertritt und dass sie jene Spaltungen nährt, die Benedikt hat bekämpfen wollen, dass also gerade jene, die von drohenden Spaltungen sprechen, diese selbst medial genährt haben.

Man muss also eins sehen, dass die drohende Kirchenspaltung ein explizites Problem war. Man muss zur Einsicht kommen, dass eine drohende Kirchenspaltung ein perfektes Argument wäre, welches Benedikt zum Rücktritt hat bewegen können. Was aber jene, die ihn zum Rückzug bewegen wollten, nicht bedacht haben, ist, dass Benedikt emeritierter Papst geblieben ist. Und es wurde auch nicht berücksichtigt, dass die Konklave den Fehler begangen hat, welcher die neue Papstwahl legitimieren könnte. Bevor ich mich jener Papstwahl widme, werde ich aber noch weiter auf das Werk und das Wirken von Benedikt den XVI. eingehen.