II. Teil

 

Kapitel 7

Das Mysterium mit dem Rücktritt

Unter den sehr seltenen Rücktritten von Päpsten steht jener von Papst Coelestin V. im Jahr 1294. Der Dichter Dante hat diesen Papst in die Hölle geschickt und ihm die Worte zugewiesen: „jenem, der sich zurückgezogen hat“. Es gibt Leute, die Benedikt mit diesem Rücktritt assoziieren wollten. Eine solche Assoziation ist aber sicherlich unter vielen Gesichtspunkten nicht richtig.

Benedikt hat in seinem gesamten Wirken als Geistlicher immer die Kirche verteidigt. Und man kann Benedikt mit Athanasius, einem neuen Athanasius, vergleichen. Im Gegensatz dazu hat aber Benedikt sich zurückgezogen, was in 2000 Jahren Kirchengeschichte ein seltener Fall ist.

Zwischen dem 11. und 28. Februar 2013 ist die Nachricht verbreitet worden, dass der zurückgetretene Papst weder Kardinal werden würde, noch emeritierter Bischof von Rom, was viele erwartet hätten. Wir wissen, dass alle Päpste, so auch der berühmte Coelestin V. nach ihrem Rücktritt zurückgekehrt sind in ihre vorige Stellung, so auch der Papst Gregor VII., der sich auch aus Angst vor einem Kirchenschisma zurückgezogen hat und der dann wieder Kardinal geworden ist.

Der Papstsprecher Federico Lombardi hat so auch am 20. Februar 2013 auf die Frage, ob man Benedikt als emeritierten Papst bezeichnen sollte, geantwortet, dass man das ausschließen sollte, weil Benedikt auf jeden Fall wieder Bischof sei und dass man beide Sachen trennen sollte. Eine Woche später hat dieser selbe Pater Lombardi hingegen behauptet, dass Benedikt sehr wohl emeritierter Papst zu nennen sei und auch seinen Titel Seine Heiligkeit beibehalten werde, dass er aber nicht mehr den Fischerring und nur noch den einfachen weißen Talar tragen würde. Ein paar Monate später hat man hingegen einsehen müssen, dass Benedikt weder zurück zum Kardinal scheiden wollte und dass er auch nicht mehr als emeritierter Papst wahrgenommen werden wollte, sondern dass er sein Papstsein beibehalten hat.

Was bedeutet das alles? Auf jeden Fall bedeutet es, Dass es keine persönlichen Gründe hat geben können für diese Schritte. Denn ein Mensch oder eine Person wie Benedikt XVI. haben immer Abstand gehalten zu allen weltlichen Angelegenheiten. Es kann sich also nur um eine historisch-kirchliche Angelegenheit handeln. Benedikt hat auch sein Papstwappen beibehalten und nicht abändern wollen.

Wieso? Es spricht vieles dafür, dass Benedikt sich immer noch als Papst sieht, und auch Bergoglio hat den Papst, hat Benedikt in gewissen Angelegenheiten immer noch als Seine Heiligkeit bezeichnet.

Am 27. Februar 2013 hat Benedikt seine Entscheidung gerechtfertigt und dazu auch Folgendes gesagt: „Ich möchte noch einmal zurückerinnern an meine Wahl und an meinen Antritt am 19. April 2005. Das Gravierende an der Entscheidung war, dass ich in jenem Moment immer und für immer mich dem Herrn zugewandt habe.“

Und gerade dieses „Immer-und-für-immer“ heißt, dass auch der Rücktritt als Papst, der gefolgt ist, nicht ein Rücktritt, nicht als solcher gesehen werden kann; denn er ist immer noch für immer Gott zugewandt. Also es kann nicht persönlich sein. In diesen Worten behauptet Benedikt auch, dass er sich zwar von der aktiven Ausübung des Amtes zurückgezogen hat, nicht aber als Nachfolger Petri.

Man muss sich deshalb die Frage stellen, welche Art von Rücktritt das eigentlich gewesen ist. Auch in diesem Diskurs vom 27. Februar hat er scheinbar auch versucht, zu unterscheiden zwischen aktiver und passiver Ausübung. Er hat dort gesagt: „Ich werde zwar nicht mehr das Oberhaupt der Kirche sein und der Regierung der Kirche, aber ich werde immer, und auch in meinen Gebeten, im Kreise Petri bleiben. Und auch mein Vorbild, Benedikt, der heilige Benedikt, hat ein Leben lang ein Leben geführt, das aktiv als auch passiv vollkommen im Dienste Gottes war.“ In diesen Worten fügen sich die Tatsachen hinzu, dass Benedikt seine Kleidung, seinen Titel Seine Heiligkeit und auch sein Wappen beibehalten hat.

Es handelt sich hierbei um völlig unbekannte und neuartige Verhaltensweisen, so wie auch die Präsenz von zwei Päpsten völlig neuartig ist. Und auch in der Verfassung des Vatikans kennt man nur einen einzigen Papst. Wenn man auch die Bilder sieht, wo sich beide in Castel Gandolfo treffen und sich wie alte Freunde umarmen und keiner dem anderen den Fischerring küsst, muss ich die Frage stellen, wer von beiden Papst sein soll. Es eröffnen sich mehrere Probleme und auch neue Situationen, etwa, wenn sich Papst Franziskus bei seinem Antritt als Bischof von Rom präsentiert hat, ohne irgendwelche päpstlichen Parameter, oder auch das Fehlen des Palliums in seinem Papstwappen, das heute das Symbol ist für die Macht, und die Autorität des Papstes.

Man kann nicht vorgeben, dass sei alles eine normale Situation, denn sie ist apokalyptisch. Die Einzigartigkeit des Momentes wird auch ersichtlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie die beiden Päpste sich am 22. Februar 2014 begegnet sind, als Benedikt an der Messe in Sankt Petrus teilgenommen hat, wo 19 neue Kardinäle geweiht wurden. Man hat nie in der zweitausendjährigen Geschichte eine solche Situation erleben können. Das war auch der erste öffentliche Auftritt von Benedikt, und er wirkte gesund und auch geistig fitt. Am Anfang der Messe hat der Staatssekretär Parolin die Worte gesagt: „Begrüßen wir auch den emeritierten Papst, Seine Heiligkeit Benedikt XVI.“ Und auch Papst Franziskus hat ihn am 11. Februar als Seine Heiligkeit Benedikt XVI. bezeichnet. Merkwürdig ist auch, dass bei den vielen Treffen Benedikt nie den Ring von Bergoglio geküsst hat als Petri Ring und Ring des Nachfolgers von Petrus. Und es kommen jene Worte in Erinnerung, bei denen ich gesagt hatte, dass er immer und für immer dieses Amt ausüben würde. Was heißt das aus kirchlicher Sicht?