Kapitel 16

Die Oktoberrevolution

Es wird alles herunterkommen, so hat es mir ein Zuständiger für die Kirchenarbeit in Bezug auf die Synode der Familie im Oktober 2014 und 2015 beschrieben.

Es gibt hinter dieser Geschichte mit den Synoden eine noch andere Geschichte, und zwar hat das mit jener kirchlichen Partei zu tun, welche auch das Konklave gewonnen hat. Die Geschichte beginnt in den 90er Jahren in Deutschland, wo man bereits zur Praxis übergegangen ist, auch Geschiedene und Wiederverheiratete zur Kommunion zuzulassen, schreibt Andrea Tornielli. Die Bischöfe von Stuttgart, Mainz, Freiburg, nämlich Walter Kasper, Karl Lehmann und Oskar Saier, haben am 10. Juli 1993 einen bischöflichen Brief unterschrieben, in welchem es in diesen Angelegenheiten bereits sehr weit geht.

Ich unterstreiche, dass Walter Kasper gemeinsam mit Lehmann, welcher bereits Assistent von Rahner war, den Kopf dieser Partei bilden, welche die Konklave 2013 dominiert hat. Diese drei Bischöfe sind im Jahr 1993 in den Vatikan gerufen worden, um, was ihre Entscheidungen betrifft, einen Schritt zurückzugehen.

Der Kardinal Ratzinger hatte noch folgendes Dokument veröffentlicht, in welcher er die Haltung der kirchlichen Lehre darstellt. Er hält fest, dass die Unmöglichkeit des Zuganges zur Eucharistie eine konstante Doktrin der Kirche ist, welche direkt aus den Worten Jesu Christi kommen würde. Und zwar wird dies im Lukas Evangelium 16,18 klar dargestellt. Das würde aber nicht bedeuten, dass diese Personen aus der Kirche ausgeschlossen sind oder auch aus der kirchlichen Gemeinschaft, im Gegenteil. Bischöfe und Geistliche müssten ihnen das Gefühl geben, dass die Liebe Christi auch sie erreicht.

Ein Geschiedener, der wiederverheiratet ist, kann nicht zur Eucharistie zugelassen werden, wenn er eine Lebensform wählt, die nicht mehr im Widerspruch steht zur Nichtauflösbarkeit der Ehe. Und die Kirche kann nicht eine neue Ehe akzeptieren, wenn die vorangegangene als gültig erwiesen ist. Das heißt, dass das kein Ausschluss sein soll, denn man dürfe die Kommunion nicht nur als Sakrament auffassen, sondern auch spirituell. Eine solche spirituelle Kommunion würde auch die Geschiedenen und Wiederverheirateten betreffen.

Auf jeden Fall wurde der Zugang der Geschiedenen zur Eucharistie für bestimmte Kirchenkreise ein sehr stark ideologischer Aspekt. Das kann man so in den Texten von Hans Küng nachlesen, in den Manifesten bestimmter katholischer Kreise in Österreich, aber auch im Interview, dass ein Testament des Kardinals Martini war, in welchem er einen Rückstand der Kirche um 200 Jahre feststellt.

Kardinal Martini hat revolutionäre Ansichten vertreten, in dem er in Bezug auf die Kommunion davon gesprochen hat, man müsse sie auch zu allen Geschiedenen, zu wiederverheirateten Paaren und auch zu Familien in weiterem Sinne hintragen. Effektiv ist diese Ansicht die Ansicht der gewinnenden Partei des Konklaves.

Es ist sicherlich kein Zufall, wenn Bergoglio bereits bei seinem ersten Angelus Kardinal Kasper, der dieser Ideologie angehört, zitiert hat. Dass Kasper dann am 20. Februar 2014 zum Berichterstatter beim Konsistorium über die Familie ernannt wurde, unterstreicht diese Wende innerhalb der Kirche. Dass 20 Jahre nach diesem Rückpfiff durch Ratzinger Bergoglio genau Kasper in eine solche Position hievt, ist ein bemerkenswertes Stück.

Das könnte Ratzinger durchaus als ein Misstrauen und als einen Angriff auffassen. Aber Ratzinger hat mit Güte geantwortet, indem er auf die Frage, ob er bei der finalen Phase des Konsistoriums bei der Benennung neuer Kardinäle assistieren wolle, wahrscheinlich auch, um das Kardinalskollegium als eine Einheit aufzufassen, welches es besonders in Bezug auf die Wahl von Kasper nicht war. Die gleichen Kardinäle, die ein Jahr zuvor Bergoglio gewählt haben, haben sich gegen Kasper ausgesprochen. Ungefähr 85% waren gegen ihn.

Bergoglio, sagt man, sei durch diese Wahl überrascht gewesen, und so hat er am 21. Februar in einer öffentlichen Deklarierung das große theologische Wirken von Kasper hervorgehoben.

Es handelt sich effektiv um eine ideologische Auseinandersetzung. Das wird einem klar, wenn man sich vergegenwärtigt, wie Kasper die Ratschläge von Benedikt, XVI. in Bezug auf die Kommunion für Geschiedene und Wiederverheiratete, aber auch die Sache mit der Eheschließung und der Gültigkeit einer solchen oder aber auch des Bewusstseins der Verpflichtungen bei der Eheschließung gegenüber Gott, verworfen hat. Denn die Innovatoren wollen vor allem die Doktrin verändern. Hier will man die Unauflösbarkeit der Ehe, welche 2000 Jahre alt ist und von Jesus selbst vertreten wurde, auflösen.

Und so verwundern auch nicht entsprechende Stellungnahmen von Journalisten wie Eugenio Scalfari, die in Bezug auf das Konsistorium gesagt haben, die Revolution von Franziskus sei es, dass er das Übel und die Sünde niedergeworfen habe. Effektiv würde es sich dabei um einer der radikalsten Revolutionen aller Zeiten handeln, weil es ein Niederwerfen der Kirche selbst bedeuten würde.

Diese Worte in der Zeitung Repubblica wurden von vielen als ein Witz aufgefasst. Effektiv dürfte es sich dabei aber um eine klare Richtung handeln, in welche sich die Kirche bewegt. Kasper selbst hat behauptet, er hätte nur Fragen stellen wollen, denn Antworten seien Aufgabe der Synode und des Papstes. Man hat hingegen sehr viele und sehr starke Forderungen und Vorschläge gehört, so auch die Erwartung, man dürfe aus Kirchensicht nicht mehr nur Reue in Bezug auf die zweite Eheschließung erwarten, sondern auch Reue in Bezug auf das Scheitern der ersten Ehe.

Diese Doktrin wollten die Erneuerer vollkommen in Frage stellen. Was die Erneuerer damit bezwecken wollen, ist ein Niedergang der Konfession und des Sakramentes selbst. Wieso sollten dann Verheiratete, die außereheliche Verhältnisse haben, beichten gehen, wieso homosexuelle Paare. Somit würde man jede Sünde legitimieren. Kasper hat dabei gesagt, man kann jede Sünde lösen. Jesus sagt hingegen, dass die Sünde gegen den Heiligen Geist keine Gnade finden wird.

Man muss als Christ entscheiden, ob man Jesus hören will oder diese Erneuerer. Kasper scheint nicht nur die Sünde abschaffen zu wollen, sondern auch die Hölle. Der Prälat hat zum Beispiel gesagt: „Es ist nicht vorstellbar, dass ein Mensch in ein schwarzes Loch fällt und dass Gott ihn nicht daraus befreien wird.“ Dieses Inferno gibt es aber, das ist die Sünde, die bewusst begangen wird und auf welche keine Reue folgt. Gott kann uns dabei nicht gegen unseren eigenen Willen zur Sünde retten.

Sicher es gibt viele in unseren Zeiten, die nicht an die Hölle glauben wollen. Historisch gesehen, waren es die Jesuiten, welche vom großen Pascale bezichtigt worden sind, dass sie die Sünde abgeschafft haben mit der Entschuldigung, dass sie den Sündern vergeben. In unserer heutigen Zeit scheinen diese Ideen zu den dominierenden Ideen zu werden.

Kardinal Ratzinger hat 1990 folgende Worte gesagt: „Man kann in der heutigen Diskussion fast glauben, dass man die Sünde aus der Welt schaffen will. Man erinnere sich an die Worte von Pascale: „Endlich sind die Herren da, welche die Sünde aus der Welt schaffen.“ Für diese Moralisten gibt es keine Schuld. Auf jeden Fall ist diese Sündenbefreiung zu einem Markt geworden. Aber in Innern von diesem allem wissen die Menschen sehr wohl, dass alles nicht wahr ist, dass man die Sünde nicht abschaffen kann und dass man sie auch auf diese Art und Weise nicht bewältigen kann. Auch Jesus bezieht sich nicht auf jene, die nicht an die Sünde glauben, sondern auf jene, die gesündigt haben und die seine Hilfe suchen.“

In einem weiteren Buch beschreibt Ratzinger, dass es reichen würde, wenn der Mensch den guten Willen hätte, sich befreien zu lassen. In diesen Worten steckt nicht der Versuch, welchen die Anhänger des Jansenismus in Bezug auf die Jesuiten verlangt haben, dass diese nämlich mit ihren Theorien ein Jahrhundert des Unglaubens einleiten würden. Man muss sich aber fragen, ob heute wesentliche Jesuiten wie Rahner und Martini in der Kontinuität stehen mit diesen Jansenisten. Bergoglio scheint jener Strömung der Jesuiten anzugehören, welche sich auf diese sogenannten Jansenisten beziehen, welcher der Meinung sind, dass Buße nur durch eine persönliche Beziehung zu Gott geleistet werden kann und nicht durch irgendwelche Frömmigkeitsformeln.

Man muss auch sagen, dass alle diese sogenannten innovativen Ideen bereits längst durch Autoritäten der Kirche in Frage gestellt wurden, so vor allem durch den Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Glaubenskongregation und Autor in Bezug auf die Synode und auch Autor eines Buches. Zudem durch den Kardinal Carlo Caffarra, durch den Kardinal Walter Brandmüller, aus historischer Sicht durch den Kardinal Velasio De Paolis, was das Kanonische und Spirituelle betrifft, oder durch den Kardinal Thomas Collins, Erzbischof von Toronto.

Schlussendlich ist in Amerika ein Buch erschienen, dass man als Anti-Kasper-Buch bezeichnen kann mit Beiträgen der fünf Kardinäle Brandmüller, Caffarra, Burke, De Paolis und Müller und anderer Gelehrter. Der Titel war „In der Wahrheit Christi bleiben - Ehe und Gemeinschaft in der katholischen Kirche“.

Aber die Stimme, die ich jetzt hier bringen will, ist nicht die Stimme eines Kardinals, sondern eines Missionars. Es handelt sich um Pater Carlo Buzzi, 71 Jahre alt, aus Mailand, Missionar in Bangladesh. Er ist ein außergewöhnlicher Mensch, der versucht, das Evangelium zu verbreiten, und zwar bei den Ärmsten dieser Welt, wo er Schulen errichtet hat, Ambulatorien und Kapellen. In dieser absoluten Peripherie verfolgt er den Weg der Kirche. Und nach diesen Worten von Kasper, die er vernommen hat im Konsistorium, hat er seine Gedanken veröffentlicht durch Sandro Magisters in dessen berühmter Seite. Folgende Gedanken wurden veröffentlicht:

Wenn man auf dem von Kardinal Kasper vorgezeichneten Gleis fortfährt, wird man beachtenswerten Schaden anrichten.

1. Man wird die Kirche überflüssig und angepasst machen.

2. Man müsste die Unfehlbarkeit des Lehramtes, der Cathedra Petri negieren, weil es so wäre, als ob alle vorhergehenden Päpste sich geirrt hätten

3. Man müsste die Menschen für dumm halten, die ihr Leben als Märtyrer für die Verteidigung der Sakramente gegeben haben."

In einem zweiten Brief von Pater Buzzi am 17. Mai 2014 schreibt er:

„Es gibt Tausende von Katholiken, die jedes Jahr sterben, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Und wir, denen es gut geht, beschäftigen uns mit Fragen wie die Kommunion für Wiederverheiratete. Wie viele Märtyrer gab es in Großbritannien, um die Integrität des Sakramentes der Ehe zu verteidigen! Wehe, wenn die katholische Kirche sich auf jenen Weg begibt, den die anglikanische Kirche eingeschlagen hat. Man soll nicht Schismen ermöglichen wegen derart sekundären Fragen. Denn wenn wir auch den Wiederverheirateten die Kommunion ermöglichen, dann wird die Beichte sinnlos. Ich will katholisch bleiben. Ich will nicht anglikanisch oder baptistisch werden.

Wir sehen, dass alle großen Organisationen von einer mysteriösen Kraft hintergegangen werden. Die einzige Institution, welche stark bleibt und festhält, ist die katholische Kirche. Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Brunnen vergiftet wird. Eines Tages, wenn alle müde sind und enttäuscht von dieser Welt, dann müssen sie noch immer zurückfinden können zum Brunnen, wo frisches Wasser entspringt.“

Wie ist die Synode geendet? Man hat in dieser Synode das Bewusstsein eingefügt, man könne das Gesetz Gottes zur Disposition stellen und man könne dieses Gesetz beliebig durch demokratische Entscheidungen abändern. Wenige haben wahrgenommen, dass es so nicht sein kann und dass dieser Weg der falsche ist. Es war Kardinal Caffarra, eine wirkliche Autorität in diesen Angelegenheiten, welcher die Vorschläge von Kasper versenkt hat:

„Die Päpste waren sich immer im Bewusstsein, dass die Autorität des Papstes nicht darüber entscheiden kann, ob die Ehe vollzogen ist. Hier hat das Papsttum keine Macht. Das hat auch Johannes Paul, II. im Jahr 2000 festgehalten, wo er gesagt hat, man könne das römische Pontifikat nicht auf die Frage der vollzogenen Ehe ausdehnen. Man muss die Ehe auch dann als gültig feststellen, auch wenn sie nicht in einem klar definierten Akt entstanden ist.“

Das bedeutet alles, dass aufgeworfenen Fragen von Kasper weder im Konsistorium noch in der Synode hat behandelt werden können. Das bedeutet nämlich, dass auch der Papst nicht, nicht einmal ein Papst, der legitim gewählt wurde, in der Fülle seiner Machtssphäre die Unauflösbarkeit der Ehe nicht in Frage stellen kann. Effektiv hat auch Ratzinger im Jahr 2000 in einem Buch mit Peter Seewald mit dem Titel „Gott und die Welt“ erklärt:

„Der Papst ist nicht der übergeordnete Herr, er ist nur der Garant der Konformität des Glaubens Gottes. Der Papst kann nicht sagen, die Kirche bin ich oder die Tradition bin ich. Wenn es in der Kirche Wege gibt, welche die einfachste Richtung einschlagen wollen, dann muss der Papst die Frage stellen, ob das zulässig ist. Der Papst ist kein Organ, das der Kirche einen neuen Weg aufzwingen kann. Im Gegenteil, der Papst ist ein Hindernis gegen die Willkür.

Ich mache ein Beispiel. Im neuen Testament wissen wir, dass dort festgeschrieben ist, dass die Ehe ein Sakrament ist, das unauflösbar ist. Es gibt Meinungsrichtungen, die behaupten, der Papst könnte das aufheben, aber so ist es nicht. Der Papst hatte im Jahr 2000 in diesem Sinne festgehalten, dass er die Unauflösbarkeit der Ehe nicht in Frage stellen kann. Er kann nicht das tun, was er will, im Gegenteil: Er muss jene Rolle einnehmen, die im Waschen der Füße der Gläubigen besteht.“