Kapitel 20

Vatikanische Chroniken

Pater Antonio Spadaro, Interviewer von Bergoglio, hat erklärt, sein Gedanke ist nicht vollkommen, er ist offen. Das bedeutet aber nicht, dass sein Gedanke nicht schlüssig wäre. Mir kommt es so vor, als wäre sein Gedanke inkomplett, in einem Annäherungssinne. Das sieht man auch an der Art und Weise, wie er Wörter benutzt. So hat er bei der Messe in Caserta von „Paresie“ gesprochen und er meinte damit, den Mut nach vorne zu gehen. In der Realität bedeutet dieses Wort aber etwas anderes, nämlich „klar sprechen“. Und so ist es auch bei anderen Gedankengängen.

Wir werden jetzt einige solche Gedankengänge auflisten. So hat Papst Bergoglio gleich nach seiner Wahl, während des Diskurs mit den Kardinälen Folgendes gesagt: „Er, der Paraklet, ist der höchste Protagonist jeder Initiative und jeder Glaubensmanifestation. Ich erinnere daran, dass ein großer Kirchenvater gesagt hat „Ipse harmonia est“. Der Paraklet gibt allen das Charisma, er vereint uns in der Gemeinschaft der Kirche.“

Er hat dann ab diesem Zeitpunkt öfters diesen Kirchenvater mit diesem Zitat zitiert. Zum Beispiel am 19. Mai 2013 in der Messe von Pfingsten oder am 04. Oktober 2013 in Assisi in der Kathedrale San Rufino. Aber auch schon als Kardinal hat er dieses Zitat verwendet, nämlich im Interview in der Zeitung Trentagiorni im Jahr 2007. Es gibt nur ein Problem, es gibt keinen Kirchenvater, welcher jenes gesagt hat. Auch im Vatikan, wo alle päpstlichen Diskurse archiviert werden, hat man ein solches Zitat nirgends gefunden. Bergoglio zitiert aber weiterhin.

Man muss sich die Frage stellen, ob nicht jenes Zitat, jener Gedanke vielleicht sogar die neue Theologie von Bergoglio geworden ist und seiner Kirche. Damals in Caserta hat Bergoglio Folgendes gesagt:

„Die Kirche ist eine Einzige in ihrer Verschiedenartigkeit und Diversität und, um ein schönes Wort zu benutzen, ist es die konzilliäre Diversität des Heiligen Geistes. Und der Heilige Geist macht das alles aus. Er macht die Verschiedenartigkeit der Charismen und der Harmonien der Charismen aus. Deswegen haben die ersten Theologen der Kirche im 3. und 4. Jahrhundert gesagt, der Heilige Geist, ER ist die Harmonie. Denn ER macht diese Einheit aus, welche ein harmonische Einheit in Diversität ist.“

Da man weiß, dass kein Papst in der Kirche jemals diese Worte gesagt hat, ist das eine sehr schwache Theologie, und wenn das ein Beispiel ist, dieses inkompletten Gedankens, dann wäre es besser, wenn die Kirche diesen Gedanken nicht annimmt. Und wenn man dieses Zitat irgendwo finden wollte, dann am ehesten beim Philosophen Leibniz, aber das war sicherlich kein katholischer Philosoph.

Ein revolutionärer Passus von Papst Bergoglio war jene Konversation mit Padre Spadaro, wo er gesagt hat:

„Wir dürfen nicht nur auf unsere Meinungen in Sachen Abtreibung, homosexuelle Ehe bestehen. Das ist nicht möglich. Wenn man darüber spricht, muss man in einem bestimmten Kontext darüber sprechen. Jeder weiß, wie die Kirche in diesen Fragen eingestellt ist. Man soll aber nicht ständig darüber sprechen.“

Das war eine klare Kritik an den Vorgängern, welche diese Fragen immer klar angesprochen haben. Auf jeden Fall ist die Abtreibung mit 50 Mio. Abtreibungen im Jahr eine wirkliche Tragödie. Paul VI., Johannes Paul, II., Benedikt, XVI. haben sich auf die Propheten bezogen, um die Revolution anzukreiden, die heute abläuft und welche die Menschheit durch ihren Nihilismus verändert.

„Jetzt,“ so Bergoglio, „müsste man solche Meinungen als Meinungen von Obsessionisten darstellen, wenn man nämlich sagt, die Lehren, die sehr dogmatisch und moralisch sind, sind nicht alle gleich. Eine Mission soll nicht obsessionistisch sein. Der missionarische Typus muss sich auf das essentielle Eigentliche konzentrieren, denn das ist es, was am ehesten anspricht.“

So hat sich wohl auch Papst Bergoglio auf das Essentielle beschränkt, etwa auch, wenn er wieder mal Kritik übt an jenen Klatschblättern innerhalb der Kirchen. Darüber spricht er ständig. In einem Artikel in der Zeitung Avenire vom 31. August 2014 mit dem Titel „Das üble Gerede tötet“ behauptet der Papst, dass nicht die Abtreibung eine Milliarde Opfer in 50 Jahren verursacht hat, sondern das üble Gerede. Und das wäre das Übel, welches die Christen wenig ansprechen.

Eine letzte Sache, Pater Livio van Saga hat mit klaren Worten angesprochen, dass es nicht verhandelbare Werte gibt:

„Der Teufel will, dass es Diskussionen gibt über nicht verhandelbare Werte, indem er sagt, man sollte nicht mehr darüber diskutieren, sondern die Ideologien öffnen und für alle liberalisieren, was Abtreibung, Euthanasie, homosexuelle Eheschließungen usw. betrifft. Wie soll man in diesen Angelegenheiten reagieren. Man darf keine Kompromisse eingehen mit der Wahrheit des Evangeliums und überall und immer Christus und sein Wort predigen. Wir müssen immer dann aufpassen, wenn man uns applaudiert und Komplimente macht. Jesus selbst sagt im Johannes-Evangelium „Sie haben mich verfolgt und sie werden auch euch verfolgen.“ Wenn wir Verfolgte sind, dann wissen wir, dass wir der Wahrheit Jesu entsprechen.“

Bergoglio sagt auch gegenüber Scalfari in einem Zusammenhang, dass gerade die Kirchenhäupter in der Vergangenheit oft Narzissten gewesen sind. Hier kommt einem ein Zitat von Paul VI. von 1970 in Erinnerung:

„Wir bemerken gerade innerhalb der Kirche, dass es eine Sympathie gibt gegenüber allem, was außerhalb der Kirche ist. Der Gegner wird sympathisch und der Freund wird intolerant. Wenn dieser Gedankengang Schule macht, dann haben wir eine Situation, wo es eine Kirche gibt, die vollkommen von sich selbst befreit ist. Und diesen Weg sehe ich heute möglich.“

Die Vermehrung des Brotes und der Fische, welche Jesus in den Evangelien zugeschrieben wurde, hat Bergoglio in einem Videobeitrag für die Kampagne der Caritas gegen den Hunger der Welt Im Jahr 2013 folgendermaßen erklärt:

„Die Parabel der Vermehrung der Brote und der Fische will uns Folgendes lehren: Wenn es den Willen gibt, dann ist das, was wir haben, nicht begrenzt, sondern ausreichend und im Überschuss.“

Parabel? Aber welche Parabel ist das? Matthäus spricht nicht von einer Parabel, sondern von Fakten. Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Aussage von Bergoglio um einen Lapsus, aber er hat das dann sogar noch mal wiederholt und verschlimmert.

Am 16. März 2013 hat er bei dem ausführenden Organ der internationalen Caritas bei einem Empfang Folgendes gesagt:

„Nein, sie haben sich nicht vermehrt. Das ist nicht die Wahrheit. Wenn man Vermehren sagt, dann glaubt man, es handele sich um einen Zauber. Das ist es nicht. Es ist die Größe Gottes und die Liebe Gottes, welche, wenn wir sie aufnehmen, nie endet.“

Wenn man das glauben will, dann könnte jeder mit fünf Fischen und fünf Broten 5000 Menschen ernähren, wie es Jesus im Matthäus-Evangelium zugeschrieben wurde. Hier scheint der Papst öffentlich das Wunder zu negieren, welches Jesus vollzogen hat.

Sicherlich, seit 200 Jahren versuchen bestimmte progressistische Kreise, alle Wunder, die in den Evangelien beschrieben werden, zu leugnen, aber nicht, weil sie die Wunder leugnen wollen, sondern weil sie Jesus selbst leugnen wollen. Und es gibt auch immer wieder progressistische Kreise, welche versuchen, jene Wunder nur als irgendwelche Parabeln darzustellen. Das hat aber noch nie ein Papst so gemacht.

Am 24. August 2014 ist in der Zeitung Il Fatto Quotidiano ist ein Artikel erschienen, wo davon die Rede ist, dass ein Christ schenken kann und dass sein Leben davon geprägt ist, dass er dem Nächsten mit Gaben begegnet. Im selben Artikel wird auch davon gesprochen, dass der Papst eine Million Dollar an die Flüchtlinge von Kurdistan gespendet hat, ohne viel davon zu sprechen. Bezugnehmend auf die Ziffer von einer Million Dollar haben manche auch dieses Verhalten kritisiert. Nicht wegen der Spende, sondern weil Bergoglio zu anderen Anlässen immer wieder behauptet hatte, dass die Heilige Kirche und der Heilige Petrus kein Bankkonto hätten, was hier klar widersprochen wurde.

Am 07. Juli 2014 ist in der argentinischen Zeitschrift Viva ein Interview mit Bergoglio erschienen, in welchem er davon spricht, wie man friedlich und fröhlich leben kann. Es ist aber schwer verständlich, nachzuvollziehen, was Bergoglio als Hauptargument gebracht hat, nämlich den Satz „Leben und leben lassen“.

Kann das die Philosophie eines Papstes sein? Ist Jesus Christus deswegen am Kreuz gestorben? Es kommt einem jene Vision der Anna Katharina Emmerich in Erinnerung, die von 1774 – 1824 gelebt hat und welche davon spricht, dass sie die Vision hatte, dass in einer Versammlung von Kirchenleuten, aber auch von Laien und Frauen, die in einer Runde sitzen, Satan mit ihnen dort ist und dass versucht wird, alles Böse in diese Welt der Wunder hinein zu holen. Und sie sagt dazu, dass diese Kirchenleute vom Typus waren „Leben und leben lassen“.

Das muss man nicht überschätzen, dieses Zitat, aber man muss feststellen, dass in diesem Artikel, in welchem Bergoglio davon spricht, wie man friedlich und fröhlich leben kann, der Gottesbezug vollkommen fehlt.

Wenn man einen Papst fragt, was das Böse ist in dieser Welt, dann wird man erwarten, dass er darauf sagt, dass das Böse in der Abwesenheit Gottes und in der Abwesenheit der Wahrheit besteht. Das macht Bergoglio aber nicht. In seinem famosen Interview mit Scalfari sagt er:

„Die größten Probleme dieser Welt bestehen in der Jugendarbeitslosigkeit und in der Art und Weise, wie die Alten behandelt werden. Das ist für mich das größte Problem der Kirche, welchem wir begegnen müssen.“

Das sind sicherlich Probleme, denen sich die Regierungen, die Parteien und die Gewerkschaften widmen müssen. Aber die Kirche hat einen anderen Auftrag. Hat sich Gott zum Menschen gemacht und ist für uns gestorben, um einen Sozialstaat zu verwirklichen oder um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen?

Im Jahre 1992 wurde an Don Luigi Giussani eine ähnliche Frage gestellt, mit der Frage, was die Aufgabe der Kirche ist. Er antwortete: „Die Aufgabe ist, das Leben Christi zu bezeugen. Wir sind nur deswegen, wegen dieser Mission, ausgewählt worden, dass diese Personwerdung Gottes erkennbar ist und erfahrbar ist.“

Die Exkommunikation ist in der Kirche eine sehr seriöse Angelegenheit und auch eine sehr schwerwiegende Angelegenheit. Und so war es ein großes Aufsehen, als Papst Bergoglio in Kalabrien am 21. Juli 2014 angekündigt hat, dass die Mafiosi exkommuniziert werden. Aber gibt es eine solche Exkommunikation oder war sie nur eine mediale Ankündigung? Am 07. Juli 2014 wurde der Kardinal Velasio de Paolis in der Zeitung La Repubblica interviewt. Und er hat erklärt, technisch gesehen, ist es nicht leicht, dies umzusetzen, denn das Delikt der Mafia ist im Innern des Rechtekodex der Kirche nicht existent und der Papst hat nicht angekündigt, dass er diesen Kirchenkodex abändern will.“

Folglich gibt es keine Exkommunikation. Das war also nur eine Aburteilung dieses Verhaltens und eine mediale Ankündigung, aber keine Fakten.

Was überrascht hat, war dann auch, als Papst Bergoglio am Gründonnerstag, diesen in einem Institut hat verbringen wollen, wo er diese Fußwaschung Jesu wiederholt hat und wo auch ein Islamisches Mädchen dabei war. Lucretia Rego de Planas hat geschrieben, dass sei eine Brechung des liturgischen Gesetzes.

Das ist aber alles bezeichnend gewesen für die Auffassung von diesem Papst Bergoglio, so als ob die Religionen sowieso nicht unterscheidbar wären. Auf jeden Fall wurde diese Geste auch von diversen Muslimen als angreifend und als Problem aufgefasst, weil sie das als eine Art Mission sehen wollten.

Im Sommer 2013 hat Bergoglio auch in einem Interview gesagt: „Wenn es ein Kind gibt, das Hunger hat oder dass in die Schule gehen will, dann ist es zweitrangig, ob diese Erziehung nun Katholiken, Protestanten oder orthodoxe Juden oder wer auch immer gibt. Mich interessiert nur, dass es eine Unterrichtung bekommt und der Hunger gestillt wird. Hier müssen wir zur Einigkeit kommen.“

Folglich geht es Bergoglio in Ordnung, wenn Protestanten in Argentinien Brot verteilen und ihre Lehren verbreiten, und es geht ihm nicht darum, dass die wahre Lehre Christi Verbreitung findet. Glaubt der Papst nicht, dass das Heil des eigenen Körpers wichtiger ist als ein Brot?

Im Evangelium lesen wir: „Was nutzt es, wenn man die ganze Welt erobert und gewinnt. Aber dann seine Seele verliert?“ Auch im Evangelium ist es der Verführer, welcher den Menschen dazu verführt, für sein Hungerstillen, die Wahrheit zu leugnen und seine Seele zu verlieren. In der heutigen modernen Welt gibt es Ideologien, die ebenso verbreiten, dass das Brot und das Hungerstillen wichtiger seien als die Freiheit und die eigene Seele. Es waren hingegen viele andere, die das Gegenteil bewiesen haben, es waren auch viele Christen.

Man muss daran erinnern, dass die Christen im nördlichen Irak heute bedroht sind, alles zu verlieren. Ihr Haus, ihre Güter, ihre Arbeit, und dass sie auch ihr Leben riskieren. Es gibt auch christliche Frauen im Sudan oder in Pakistan, die im Gefängnis gelandet sind und die auch die Todesstrafe erfahren mussten.

Es gibt einen Satz von Pater Alfred Delp, jenem deutschen Jesuiten, der 1944 von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt wurde, und der von Papst Benedikt gerne zitiert wurde:

„Brot ist wichtig, die Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.“

Er hätte auch sich selbst verraten können, um sein Leben zu retten. Er hat es aber nicht getan und er wurde ein Beispiel. Man möchte einen Papst, der ähnliche Beispiele in den Mittelpunkt stellt und nicht inkomplette Gedankengänge verfolgt, die auf das Primat des Brotes bezogen sind.