Kapitel 23

Die Prophezeiung von Ratzinger

Es gibt viele Seiten von Ratzinger, welche als Prophezeiungen aufgefasst werden können. Ich wähle davon drei.

Die erste scheint den heutigen klerikalen Optimismus am besten zu beschreiben. Ratzinger bezieht sich auf die siebziger Jahre, als ein Freund von ihm eine Reise nach Holland unternommen hat und der die damalige Kirche in Holland als die fortschrittlichste verstanden haben wollte. Er sprach von leeren Seminaren, von religiösen Orden ohne Eintritte, von Priestern und Religiösen, welche den Rücken zeigten gegenüber ihrer Bestimmung, den Rückzug der Konfession, den dramatischen Rückgang von Messen. Und die Überraschung war, dass er dies alles als eine grandiose Kirche bezeichnete, weil es eine Kirche war ohne Pessimismus. Und dieser Optimismus, der enthalten war, ließ jede Dekadenz und jede Zerstörung vergessen.

Ratzinger hatte sich diesem Thema gewidmet:

„Dieser methodische Optimismus“, so Ratzinger, „wurde von jenen produziert, welche die Zerstörung der alten Kirche wollten, ohne viel Lärm zu verursachen. Der öffentliche Optimismus war so gesehen so etwas wie eine Beruhigung für die Gläubigen, um die Kirche so in aller Ruhe zu zerstören. Dieser Optimismus war aber kein echter Optimismus in Gott, sondern eine Parodie der Treue und der Hoffnung.“

Die zweite Prophezeiung von Ratzinger bezieht sich auf die heutige Zeit. Er schreibt:

„Man glaubt, dass man allem Modernen zustimmen müsse, dann ist das sicherlich der falsche Weg, den man im Sinne des Konzils und von Johannes XXIII. einschlagen wollte. Mutige Männer zu sein kann auch bedeuten, dass man die Wahrheit vertritt, ohne konform zu sein mit den dominierenden Meinungen. und dass man sich damit auch in einer Minderheitenposition befindet. Die Welt wird immer gezeichnet von jenen kleinen, mutigen Minderheiten, welche für ihre Wahrheiten auch leiden können, und nicht von Massenphänomenen, die oberflächlich bleiben."

Die dritte Prophezeiung von Ratzinger scheint die perfekte Photographie der künftigen Zukunft zu sein, welche die Christen erwartet, nachdem sie die aktuelle Prüfung bestanden haben. Nun zu den Worten:

„Aus der heutigen Krise kommt morgen eine Kirche heraus, die vieles verloren hat. Sie wird kleiner sein und muss von vorne beginnen. Sie wird die Treue und den Glauben als ihr neues Zentrum verstehen und die Sakramente wieder als eine Leistung verstehen, nicht als ein strukturelles liturgisches Problem.

Der Prozess wird lang und schwierig sein, genauso, wie es der Weg war von den falschen Extremismen bis hin zur französischen Revolution, wo es auch für die Bischöfe modern geworden ist, Dogmen in Frage zu stellen, wo man nicht einmal die Existenz Gottes als gewiss dargestellt hat. Aber nach diesen Prüfungen wird eine Kirche heraustreten, welche gestärkt ist. Dann, wenn Gott aus dieser Gesellschaft verschwunden ist, wird man in jenen christlichen gläubigen Gesellschaften, die es noch gibt, etwas wirklich anderes finden, so wie ein Geheimnis, das man sich immer schon gestellt hat, was man hier in diesen gläubigen Kreisen noch finden kann. Für die Kirche werden schwierige Zeiten anbrechen. Sie beginnen erst jetzt, aber ich glaube, dass das für die Kirche der Weg sein wird, dass sie einen neuen Weg begeht und neue Hoffnung auf das Leben nach dem Tod geben kann.“

Ratzinger hat diese Zeilen im Jahr 1969 geschrieben. Ich habe eine letzte Hoffnung, dass Bergoglio diese Zeilen vergegenwärtigt, dass er seinen Weg ändert und versucht Benedikt XVI. zu helfen in diesem schwierigen und ruhmreichen Unterfangen. Das könnte ein wirklich großer Traum sein.