Kapitel 24

Memorandum für den Inquisitor

Den Papst kritisieren ist sicherlich für viele katholische Leser eine Frage, die sie sich stellen. Für einen Katholiken ist es immer kritisch, wenn man sich dem Heiligen widersetzt. Ich könnte das alles in diesem Buch hier rechtfertigen, wenn ich sage, es sei nicht gewiss, dass die Papstwahl legitim war. Ich könnte sagen, für mich sei diese Papstwahl null und nichtig. Oder ich könnte sagen, ich könne das alles rechtfertigen, weil es so viele Bischöfe und Kardinäle gibt, welche die lebenden Päpste kritisieren. Aber ich mache das nicht, denn ich glaube an das absolute Papsttum. Was ist folglich meine Selbstverteidigung?

Ich vertraue alles der katholischen Doktrin an. Jetzt kommen meine Argumente dafür: John Henry Newman hat einmal gesagt, wenn er sich entscheiden müsse, ob er sich für das Gewissen oder den Papst entscheiden müsse, würde er das Gewissen zuerst vorziehen und dann erst den Papst nehmen. Ratzinger hat dazu geschrieben, dass für Newman das Gewissen eine Limitierung für das Prinzip der Kirche sei und dass oberhalb der Kirche und oberhalb des Papstes das Gewissen stehen muss. Das ist die oberste und letzte Instanz.

Für mich stellen diese Gedanken von Newman und Ratzinger den wahren Gedanken der katholischen Doktrin dar. Dieser Satz von Ratzinger wird in der Schrift Gaudium et Spes mit der Nummer 16 veröffentlicht. Und Ratzinger sagt, er sei mit dem Zweiten Konzil auf dem Weg von Newman. Auf jeden Fall handelt es sich hier um das Gewissen, welches mit all den Präzisierungen verstanden werden muss, die vom Heiligen Stuhl ausgehen. Und das ist ein anderes Gewissen als jenes, welches heute viele in Anspruch nehmen und einzig und allein ihre Meinung darunter verstehen.

Newman und die Kirche wollen hier dieses Gewissen als etwas anderes darstellen, als es der Totalitarismus macht. Und anders auch als das totale Gehorchen im Klerikalismus. Dieses Gewissen ist die Stimme Gottes. Diese Stimme kann auch Fragen stellen, sie kann kritische Dinge beobachten und sie kann sich auch gegen die geistliche Autorität wenden, wie Ratzinger behauptet. Der Heilige Roberto Bellarmino hat hingegen gesagt: Es ist wichtig gegen jenes Pontifikat sich zu wenden, welches die Kirche zerstört.

Abgesehen von der Tatsache, ob nun die Papstwahl gültig war oder ob sie ungültig war, sind meiner Meinung nach nach dem 13. März 2013 eine gewisse Anzahl von Entscheidungen und von Gesten erfolgt, welche die Kirche zerstören könnten.

Der große Doktor, der heilige Thomas von Aquin, hat gesagt, dass es in gewissen Fällen sogar notwendig ist, sich gegen den Papst zu stellen, so wie sich der heilige Paulus öffentlich gegen den heiligen Petrus gestellt hat. Für den heiligen Thomas von Aquin ist das Verhalten, mit welchen der heilige Paulus den heiligen Petrus öffentlich widersprochen hat, exemplarisch. Und das sei das Paradigma sowohl für die Hirten als auch für die einfachen Gläubigen.

Zu dem hat auch Franziskus selbst gesagt, man müsse die Hirten des Glaubens immer wieder auch stören. Das alles ist auch oft schon in der Kirche passiert. So hat zum Beispiel die heilige Katharina von Siena an den Papst geschrieben, in welchem der Papst an seine Pflichten erinnert wurde. Ich will zwei Briefe der heiligen Katharina in Erinnerung rufen. Den ersten Brief an den Papst Urban VI. Darin wird aufgerufen, dass sich das Papsttum vom Laster befreien solle. Der zweite Brief richtet sich hingegen an Papst Gregor XI., in welchem sie diesen auffordert, alles Mögliche zu tun, um nicht im Namen oder im Sinn der Menschen zu handeln, sondern im Sinne Gottes.

Man könnte mir jetzt sagen: Du bist nicht die heilige Katharina. Sicher, aber soll man nicht das Beispiel der Heiligen befolgen? Zudem war auch sie damals noch keine Heilige. Sie hat mit ihren einfachen Worten an die Päpste geschrieben und es so gemacht, wie es auch der heilige Thomas von Aquin verlangte. Für ihren Mut und ihr Gewissen ist sie später auch als Patronin von Rom, Italien und Europa erklärt worden. Wir alle sind, ob heilig oder nicht heilig, unserem Gewissen verpflichtet, und ich habe mit meiner Schrift hier die Wahrheit suchen wollen.

Ein Ereignis ist mir mit 14 Jahren passiert; als ich im Lyzeum war, wo alles marxistisch geprägt war und ich ein Buch von Alexander Solschenizin in der Hand hatte mit dem Titel ‚Leben ohne die Unwahrheit’. Es war für mich wie ein Blitzschlag. Ich habe von da an immer versucht, ohne die Unwahrheit zu leben, egal was die Kosten dieses Verhaltens waren.

Ich habe mich inspirieren lassen durch das große Pontifikat von Benedikt XVI., der immer der Meinung war, dass man Gott und der Kirche nicht dienen kann, wenn man mit der Unwahrheit lebt, aber nur mit der Wahrheit, auch wenn sie schmerzvoll ist. Das ist eine christliche und humanistische Pflicht auch in den totalitären Regimen. Deswegen habe ich immer die Jugendlichen von der weißen Rose geliebt, die bereit waren zum Martyrium. Und die bereit waren zu einem Leben nach dem Evangelium mit den Worten: Auch wenn alle dich verraten, ich nicht. Ihr Heroentum, ihr Beispiel, dass man die Wahrheit sagen muss, auch wenn man alle gegen sich hat, das ist Freiheit. Genauso wie es auch der Dichter Manzoni erklärt hat, mit den Worten: „Lass dich nie zum Diener machen. Verrate nie. Und spende nie dem Laster Beifall.“

Ich will daran erinnern, dass Manzoni der größte katholische Schreiber jener Zeit war, der 1861 nach Turin gehen wollte, um zu wählen, als Senator des Reiches, damit Rom Hauptstadt wird. Auch wenn die Annexion des Kirchenstaates durch Savoyen eine Aggression und ein Unrecht sei. Wir wissen, welch großer Konflikt diese Annexion war, und man kann durchaus auch an einen größten katholischen Dichter aller Zeiten erinnern, nämlich Dante, dessen Leben den Papst Benedikt XV. im Jahr 1921 zur Schrift In Praeclara Summorum angeregt hat. So zögert Dante in seiner Schrift „Die Göttliche Komödie“ auch nicht, um die Päpste in die Hölle zu verbannen, denn man hat im Mittelalter immer unterschieden zwischen der Person und den Fehlern, die im Amt begangen wurden.

So hat auch Gustave Thibon geschrieben. In der Vergangenheit konnte man unterscheiden zwischen der Person und dem Amt und man konnte einen Papst oder einen König kritisieren, ohne das Amt in Frage zu stellen. Man wusste, dass ein gesundes Amt auch besteht, wenn die Personen, die darin handeln, falsch handeln. König und Papst wurden als Verbindungen zu Gott aufgefasst. Heute wird das hingegen anders aufgefasst, indem das Individuum mehr zählt. Das führt zu zwei Katastrophen: Man schenkt den Amtsinhabern zu viel Aufmerksamkeit und andererseits verbindet man das Amt mit den miserablen individuellen Amtsführungen.

Daran müsste man sich auch heute noch erinnern. Das, was ich darlege, und diese Skandale, die ich auch hier wiederbringe, sind von vielen Menschen beobachtet worden. Auch der heilige Pater Kolbe hat gesagt, dass das befolgen ein göttlicher Wille ist und dass nicht jene, die befolgen, sondern jene, die über uns stehen, Fehler machen können. Die einzige Ausnahme sei es, wenn die Oberen etwas befehlen, was sicher gegen das göttliche Gesetz ist. Dann sind die obrigen nämlich nicht mehr dem Willen Gottes entsprechend.

Ich denke, man muss seine Worte in Kritik fassen, wenn die Papstwahl zweifelhaft ist. Wenn dann in meinen Worten hier in diesen Zeilen vielleicht Expressionen hineingekommen sind, die von wenig Respekt gegenüber der Autorität zeugen, dann war das ein Versehen. Ich habe nur meine Pflicht erfüllt, so wie Ratzinger geschrieben hat: „ Ein Mann mit Gewissen wird nie vorübergehenden Erfolg und soziale Anerkennung auf Kosten der Wahrheit erkaufen.“

In diesem Gedanken verbindet sich Newman mit anderen Großen des Gewissens, mit Thomas Morus, für den das Gewissen keine subjektive Angelegenheit war. „Man muss diesem Beispiel folgend zwei Kriterien für das Gewissen festhalten. Erstens konzediert sie nicht mit den eigenen Wünschen und Geschmäcken und zweitens deckt sie sich nicht mit dem, was sozial von Vorteil ist, mit dem Konsens von Gruppen oder sozialen und politischen Machtzentren.“

Diese Zeilen zu schreiben hat mir ein großes moralisches und materielles Opfer gekostet. Man hat mir gesagt, es könnte ein beruflicher Suizid sein. Das kann sein. Ich will mich aber in die Hände Gottes begeben. Wenn in diesen Worten ein Hochmut und Stolz meinerseits vielleicht mitschwingt, dann ist der Schmerz, den ich damit mir selbst zufüge, schon eine Klärung, und ich erwarte mir bereits persönliche Angriffe durch jene, welche sich nicht mit den Inhalten diese Buches wirklich auseinandersetzen wollen. Mit der Hilfe der Gebete meiner Freunde werde ich das alles überstehen und am Ende wird uns die Wahrheit frei machen.