Papst nicht mehr „Stellvertreter Christi“?

Quelle: Mitteilungsblatt der Piusbruderschaft Juni 2013

Der Münchner Dogmatiker Bertram Stubenrauch hat ein Beispiel dafür gegeben, wie die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils in die Häresie führen. Seiner Meinung nach solle der Papst nicht länger „Stellvertreter Christi“ genannt werden. Als Folge des Konzils (1962 bis 1965) sei es konsequent, den Titel fallen zu lassen, sagte Stubenrauch am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die meisten seiner Kollegen würden dies ähnlich sehen, fügte der Professor hinzu.

Konkret geht es um die Kollegialität des II. Vatikanums. Wenn der Papst sich „Stellvertreter Christi“ nenne, stehe er abgehoben über allen Bischöfen, meinte Stubenrauch. Da bleibe kaum noch Raum für Kollegialität.

In Wahrheit ist es ein Dogma, dass der Papst den Jurisdiktionsprimat über die gesamte Kirche innehat und allen anderen Bischöfen übergeordnet ist. So erklärte das Erste Vatikanische Konzil: „Wir lehren demnach und erklären, dass die Römische Kirche auf Anordnung des Herrn den Vorrang der ordentlichen Vollmacht über alle anderen innehat und dass diese Jurisdiktionsvollmacht des Römischen Bischofs, die wahrhaft bischöflich ist, unmittelbar ist: Ihr gegenüber sind die Hirten und Gläubigen jeglichen Ritus und Ranges — sowohl einzeln für sich als auch alle zugleich — zu hierarchischer Unterordnung und wahrem Gehorsam verpflichtet, nicht nur in Angelegenheiten, die den Glauben und die Sitten, sondern auch in solchen, die die Disziplin und Leitung der auf dem ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche betreffen, so dass durch Wahrung der Einheit sowohl der Gemeinschaft als auch desselben Glaubensbekenntnisses mit dem Römischen Bischof die Kirche Christi eine Herde unter einem obersten Hirten sei [vgl. Joh 10,16]. Dies ist die Lehre der katholischen Wahrheit, von der niemand ohne Schaden für Glauben und Heil abweichen kann.“ (Dogmatische Konstitution Pastor aeternus, DH 3060)

In typisch modernistischer Verschleierungstaktik vermischt Stubenrauch in seiner Begründung Wahres mit Falschem: Der Begriff sei missverständlich und werde oft falsch interpretiert, als ob der Papst eine Art sichtbarer Gott sei. — Wer bitte interpretiert das so?

Auch dränge sich der Eindruck auf, dass jede beliebige Äußerung des Papstes unfehlbar sei. Das hat die Kirche nie gelehrt, wie gerade die Priesterbruderschaft St. Pius X. immer wieder betonen muss, denn ihr gegenüber tut man gerne so, als sei alles, was das konziliare und nachkonziliare Lehramt verkündet — wenigstens soweit es dem Zeitgeist entspricht — unfehlbar.

Der Papst sei in erster Linie Bischof von Rom und damit als Nachfolger Petri eingebunden in das Kollegium der übrigen Apostelnachfolger, betonte der Dogmatiker. Stubenrauch führte auch an, dass die Theologie durchdenken müsse, was möglich oder notwendig sei, „ohne dass der Kern des Glaubensgutes verloren geht“. Aber gerade dieses Glaubensgut leugnet der Münchner Dogmatikprofessor.

Im Übrigen vertraten in der Tat bereits beim Konzil einige liberale Konzilsväter zum Thema Kollegialität die extreme Meinung, die höchste Autorität in der Kirche komme nicht dem Papst, sondern dem Bischofskollegium zu. Der Papst habe höchste Autorität also nur, wenn und insofern er als Repräsentant des Bischofskollegiums spreche. Der entsprechende Abschnitt in der Kirchenkonstitution wurde bewusst zweideutig gehalten, um ihn nach dem Konzil im Sinn der extremen Meinung auszulegen. Die Liberalen begingen allerdings den Fehler, ihre Absicht in einem Brief darzulegen, der den konservativen Vätern in die Hände fiel. Nach Wiltgens (Der Rhein fließt in den Tiber, S. 239f) soll Paul VI. geweint haben, als er merkte, wie man ihn getäuscht hatte. Er ließ daraufhin eine „erläuternde Vorbemerkung“ anfertigen, um die extrem modernistische Interpretation des Konzilstextes auszuschließen.

 

Zollitsch will Frauen als Diakone

Erzbischof Zollitsch will Frauen als Diakone zulassen. Auch die Situation von geschiedenen Katholiken und das Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen sollen nach Ansicht des Vorsitzenden der Bischofskonferenz verändert werden.

Robert Zollitsch, Freiburger Erzbischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat zum Abschluss der Diözesanversammlung in Freiburg einen neuen Kurs verkündet und die Kirche dazu aufgefordert, die angestoßene Reformdebatte fortzuführen. „Ich stehe dafür ein, dass die Themen auf dem Tisch und damit präsent bleiben“, sagte er. Die katholische Kirche könne nur durch Veränderung Glaubwürdigkeit und Stärke zurückgewinnen.

Erste Ergebnisse sollen dabei helfen. Zentrale Aussage: Die katholische Kirche will künftig auch Frauen als Diakone zulassen. Das Diakonat der Frau, wie es unter anderem vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) schon lange gefordert wird, ist nach den Worten von Zollitsch kein Tabu mehr. Für Frauen soll es demnach ein spezielles Amt als Diakoninnen geben.

Diakone sind an der Seite des Priesters in der Seelsorge tätig, haben aber keine Priesterweihe. Bislang dürfen nur Männer Diakone werden. Sie sollen sich auch weiter von der Diakonin unterscheiden. In welcher Form, ist noch unklar. Fest steht aber: Auf einer Stufe werden sich Frauen und Männer wohl nicht befinden.

Auch die Situation von Katholiken, die geschieden sind und wieder geheiratet haben, soll verbessert werden. Ihnen soll zum Beispiel der Zugang zu kirchlichen Ämtern, wie dem Pfarrgemeinderat, ermöglicht werden. Von diesen sind sie bislang ausgeschlossen. Zudem wird geprüft, ob wiederverheiratete Geschiedene Sakramente wie die Kommunion erhalten können oder beichten dürfen. „Mir liegt daran, ohne die Unauflöslichkeit der Ehe aufzukündigen, dass diese Frauen und Männer in der Kirche ernst genommen werden, sich respektiert und heimisch fühlen“, sagt Zollitsch. Wie der Spagat gelingen soll, bleibt zunächst offen. Auch einen konkreten Zeitplan gibt es nicht. Das Thema ist in der Kirche schon lange umstritten.

Geplant ist zudem eine Reform des Arbeitsrechts. „Wir wollen unser Arbeitsrecht den geänderten Lebensformen der Menschen anpassen.“ Dies betrifft zum Beispiel das Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen. Zudem sollen künftig auch Nicht-Katholiken in kirchlichen Einrichtungen arbeiten dürfen. Im Ringen um Reformen in der Bischofskonferenz erhofft sich Zollitsch mit den Entscheidungen aus Freiburg Rückendeckung. Er fordert zum Handeln auf. „Wir wollen aktiv Entscheidungen treffen und nicht entscheiden müssen“, sagt der 74 Jahre alte Erzbischof. Es geht auch um eine Art Vermächtnis. In weniger als einem Jahr endet seine sechsjährige Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz in Deutschland.

Kommentar: Die katholische Kirche hat durch das Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ (1994) unwiderruflich festgelegt, dass eine Weihe der Frau zum Priester unmöglich ist. Es ist klar, dass die Progressisten sich nicht mit dem Diakonat der Frau zufrieden geben werden. Im Gegenteil: Ist dieses erreicht, wird der Sturm auf die letzte Bastion, dass Priestertum, beginnen. Auch der Sakramentenempfang der im Ehebruch befindlichen Katholiken ist durch die Kirche im Schreiben der Glaubenskongregation über den Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen (1994) klar geregelt. Gleiches gilt für das Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen. Hätte Erzbischof Zollitsch solche Vorschläge unter dem alten Papst auch gewagt? Oder wittert man mit dem Kirchenoberhaupt aus Argentinien, der mit seinem unorthodoxen Auftreten viel Aufsehen erregt, Morgenluft für die letzten Schritte der Protestantisierung der Kirche?

 

Wie steht Papst Franziskus zum Konzil?

In der Predigt bei einer Geburtstagsmesse für den 86-jährigen Vorgänger Benedikt XVI. am 16. April äußerte sich der Papst zum Konzil: Die Ideen der Kirchenversammlung vor 50 Jahren seien nur „mangelhaft verwirklicht“.

Es sei bislang noch nicht alles getan worden, was der Heilige Geist im Konzil gesagt habe, sagte er bei einem Gottesdienst am Dienstag im Vatikan. Zugleich kritisierte er, manche Feiern anlässlich der Einberufung des Konzils vor 50 Jahren errichteten dieser Bischofsversammlung ein Denkmal, „das nicht unbequem ist, dass uns nicht stört“.

Einer Rückkehr in die vorkonziliare Zeit erteilte Franziskus eine Absage. Solche Bestrebungen bedeuteten, „dickköpfig zu sein“ und „törichte und lahme Herzen zu bekommen“. Dahinter stehe der Wille, den Heiligen Geist zu zähmen.

Kommentar: Eine „Rückkehr in die vorkonziliare Zeit“, „dickköpfig“ — an wen denkt der Papst? Die Piusbruderschaft bemüht sich seit Jahren — nicht um eine dickköpfige Rückkehr in die Vergangenheit — sondern um eine Neuevangelisierung der Zukunft.

Diese kann nur geschehen, wenn die Kirche sich ihrer missionarischen Sendung wieder bewusst wird. Dabei hat gerade das Konzil maßgeblich dazu beigetragen, dass die „Rückkehr-Ökumene“ (aktuelle Bezeichnung für das Wort „Mission“) ein Ende hat und der neue Geist von Assisi — alle Religionen sind Heilswege — flächendeckend Einzug gehalten hat.

Genau diesen Assisi-Geist hat das Konzil maßgeblich grundgelegt. Er wird über kurz oder lang zur Selbstauflösung der Kirche führen. Auf diese Tatsache haben die Theologen der Piusbruderschaft in den Gesprächen mit Rom zwei Jahre lang hingewiesen — anscheinend ohne jede Wirkung.

Das Konzil hat immer noch die Stellung eines über jede Anklage erhabenen goldenen Kalbes. Jeder, der es wagt, Kritik zu üben, wird ausgestoßen oder als „dickköpfig“ und rückschrittlich bezeichnet. Dabei werden immer mehr Stimmen auch außerhalb der Piusbruderschaft laut, die eine Revision des Konzils wünschen. Man denke nur an die Professoren Msgr. Gherardinf und Roberto de Matte? oder an den Brief von 50 Intellektuellen in Italien an den Papst mit der Bitte der Überarbeitung des Konzils. Es geht gar nicht darum, dass ganze Vatikanum II in Bausch und Bogen zu verurteilen. Jene Stellen müssen korrigiert werden, die einen eindeutigen Bruch mit der Tradition darstellen.

Solange der Papst und die Verantwortlichen in Rom nicht bereit sind, dass anzuerkennen, solange gibt es keinen Weg in eine katholische Zukunft, sondern ein schrittweises Abgleiten der Kirche auf den Weg der neuen „Welteinheitsreligion“, die darin besteht, im Sinne der Freidenker jedem seinen persönlichen Glauben zu belassen.

Das widerspricht direkt dem Sendungsbefehl Christi, der am Himmelfahrtstag den Aposteln die Mission der ganzen Welt aufträgt: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen.“ (Mk 16,15)

Christus selbst schärft den Aposteln ein, dass die „Frohbotschaft“ (wörtliche Übersetzung von Eu-angelion) nicht im humanistisch-mitbrüderlichen Gutmenschentum besteht gemäß dem Motto des evangelischen Kirchentages „soviel Du brauchst“ — ein Motto, dass auch von einem x-beliebigen börsenorientierten Wirtschaftsunternehmen stammen könnte — sondern in der Verkündigung der einen, wahren Religion, durch welche allein man gerettet werden kann: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden. Wer nicht glaubt, wird verdammt werden.“ (Mk 16,16)

1 Siehe das lesenswerte Buch: „Das Zweite Vatikanische Konzil — Ein ausstehender Diskurs“

2 „Das Zweite Vatikanische Konzil — Eine bislang ungeschriebene Geschichte“