70. Beharrliche Ausdauer

Schreibe, mein Bruder, ich bin Don Orione.

Dem ständig auf Granit fallenden Wassertropfen gelingt es, diesen auszuhöhlen, aber was ist schon ein kleiner Wassertropfen? Welche Kraft besitzt er, um ein solches Werk zu vollbringen? Der Wassertropfen braucht dazu nur Zeit; so bist auch du angewiesen auf die Beharrlichkeit.

Beharrlichkeit im Guten ist tig! Das menschliche Geschöpf hat das natürliche Gleichgewicht, in dem es erschaffen wurde, zerstört und ist durch die Erbsünde G e g e n s t a n d beständiger Veränderungen des Verhaltens und unaufhörlicher Verwandlungen des Temperaments geworden. Es gleicht dem Wind, der bald aus Osten, bald aus Westen weht. Dieser menschlichen, zerbrechlichen, wandelbaren Natur muß ein Element der Festigung des Gleichgewichtes eingefügt werden, sonst vermag sie nichts Gutes hervorzubringen, sondern nur wilde bittere Früchte. Dieses here, sichernde Element ist die ttliche Gnade; sie enthält das überaus wichtige Geschenk der Beharrlichkeit, eine wesentliche Gabe, ohne die das ewige Heil in Frage steht.

Die Kenntnis des Guten, der Wille zum Guten, der Wunsch danach genügen nicht, die Beharrlichkeit im Guten ist tig. Wie viele sind nach ihren ersten Schritten auf dem Weg zur Vollkommenheit stehengeblieben? Wie viele sind auf halbem Weg ausgeglitten? Wie viele waren nicht imstande, dem Endziel nahe weiterzuschreiten und haben damit ihre Verzichte, ihre Opfer, ihre Leiden aufs Spiel gesetzt oder alles verloren, weil sie nicht auszuharren vermochten?

 

Höllisches Spiel

Warum, Don Ottavio, diese Ausführungen über die Beharrlichkeit? Wenn du beobachtest, was in der Kirche heute vorgeht, kannst du dir mühelos Rechenschaft geben, was ihr mangelt, denn die Unbeständigkeit und Oberflächlichkeit dieser Generation ist größer denn je. Weil die Menschen, mit Ausnahme einer kleinen Zahl, nicht in der Gnade Gottes leben, sind sie der Spielball ihrer eigenen Schwäche und des bedrückenden Einflusses des Dämons, dessen finsteren Mächte mit den Seelen ebenso zynisch und grausam umgehen wie die Katze mit der Maus. Die hauptsächlichste Ursache der Unbeständigkeit ist sicher der Verlust der ttlichen Gnade in der Seele der Menschen, und damit fehlt das innere Leben und das Gebet im christlichen Leben. Die Glaubenskrise stammt aus der heidnischen Auffassung des Lebens.

Die erneuerte Kirche wird ein neues Programm zur Heranbildung des christlichen, innerlichen Lebens schaffen und der Festigkeit des Lebens in der Familie und in der Kirche den ihm zukommenden Wert wiedergeben.

Die neuen Gemeinschaften müssen dem Geist der inneren und äußeren Abtötung einen mächtigen Aufschwung ermöglichen. Dieser Geist wird die Seelen und die Gewissen zugänglicher machen und echte Soldaten Christi heranbilden, die für die mpfe gegen die Feinde Gottes, der Kirche und der Seelen, gegen die Dämonen, die Leidenschaften und die Welt gefestigt sind.

Jesus hat der Kirche das Sakrament der Firmung verliehen, damit jeder Getaufte ein starker Soldat werde, der sich seiner Rolle als Streiter im großen Heer der Kirche völlig bewt ist. Das Leben des Soldaten ist ein Leben des Verzichtes, des Opfers und des Kampfes. Sind die Gefirmten unserer Zeit auch dieser Überzeugung? Heilige Menschen, die ihr Leben nicht in echter Sittenstrenge gelebt haben, hat es in der Kirche Gottes nie gegeben und wird es nie geben.

 

Entweder mit ihm oder gegen ihn

Vieles wird sich in der neuen Kirche ändern müssen und auch geändert werden. Ausgestoßen werden die falschen Propheten, die falschen Lehrmeister, die Auswüchse so vieler Schein-Theologen. Jesus allein ist der wahre, universale Lehrmeister, der mit dem Geheimnis seiner Menschwerdung, seines Leidens und seines Todes den einzigen Weg gewiesen hat, den Hirten, Priester und Gläubige bis zum Ende gehen müssen, wenn sie nicht verlorengehen wollen; entweder mit ihm oder gegen ihn.

In der neuen Kirche kann es niemand wagen, Christus, seine Kirche, sein Evangelium, seine Moral dem falschen Fortschritt der modernen Technik anzupassen. Dieser hat es noch nie verstanden, den Menschen Gerechtigkeit, Liebe und Frieden zu vermitteln; Güter, die sie bedürfen. Man brüstet sich hochmütig und versucht, Gott aus Herz und Sinn des Menschen zu verbannen, um an seine Stelle die Technik zu setzen mit der Behauptung, sie vermöge die Menschen zu befriedigen. Nein, sie müssen sich Gott beugen, dem Schöpfer und Herrn des Universums, dem Heiland und Erlöser, dem Heiligmacher.

Schwerwiegende und füchterliche Verantwortung der Hierarchie, die, mit Ausnahme w e n i g e r heiliger Bischöfe, in menschlicher Weise rechnet und durch einen materiellen, technisch bedingten, scheinbaren Fortschritt befangen ist! So ist auch die wahre Kultur verfallen, die mehr dem Geist als den Dingen gehört.

Don Ottavio, neue Kirche will besagen: kristallene Klarheit der Lehre und der Sitten. Die Läuterung wird das Machwerk des Stolzes, der alles durchsetzt hat, hinwegfegen.

Es segne dich Gott, der Eine und Dreifaltige. Bete, Bruder, und bring deine Mühsale zum Opfer dar, damit der Friede in die Kirche und in die Welt zurückkehrt. 9. Mai 1977